Sobald es kälter wird, erreichen uns Fragen, die die Unterbringung von Wohnungslosen betreffen. Bis 2015 war das meist verbunden mit dem Verweis auf Leerstände. Seit der „Flüchtlingskrise“ wurde auf die mit beeindruckendem Tempo geschaffenen Unterkünfte für Geflüchtete verwiesen. Vor dem ersten Corona-Winter lautet die Frage oft, ob nicht in der Pandemie kaum belegte Hotels genutzt werden können. Die Antwort lautet immer: Im Prinzip ja.
Die Krise hat Straßenobdachlosigkeit in Dortmund sichtbarer gemacht und die Lebenslagen der Betroffenen drastisch verschärft. In der Berichterstattung kommen AnwohnerInnen und Gewerbetreibende zu Wort, die sich gestört fühlen, und Hilfsorganisationen, die einordnen und Defizite in der Versorgung benennen. Meist fehlt die Perspektive derer, um die es geht. Was bedeutet es, draußen zu sein? Wie beschreiben Wohnungslose in Dortmund ihren Alltag?
Ein Bochumer Theaterpaar, ein Vater-Sohn-Gespann auf Schatzsuche, ein KünstlerInnen-Duo als Verstärkung beim Geierabend, sechs Kinder aus der ganzen Welt und was bei ihnen auf den Teller kommt, ein Armutsforscher, ein Wetterexperte und fünf Dortmunder Obdachlose, die von draußen erzählen: die neue bodo ist da. Ab heute ist das Straßenmagazin erhältlich, und zwar wie gewohnt auf der Straße, für 2,50 Euro – die Hälfte bleibt bei den VerkäuferInnen.
In seiner letzten Sitzung hat der Dortmunder Rat im Oktober beschlossen, die Wohnungslosenhilfe stärker zu unterstützen, und damit den Grundstein für die gemeinsame Winternothilfe von Gast-Haus, der Suppenküche Kana, dem Dortmunder Wärmebus und bodo gelegt. Es ist ein Erfolg nach monatelangem, zähen Ringen, bleibt aber eine Lösung auf Zeit – und eine, bei der Fragen offen bleiben.
Am 14. Oktober 1997 wurde der Wohnungslose Josef Anton Gera auf dem ehemaligen Kruppgelände in Bochum so schwer misshandelt, dass er drei Tage später an den Folgen seiner Verletzungen starb. Die Täter: Neonazis. Das Motiv: Hass auf Homosexuelle. Die staatliche Statistik zählt Josef Gera wie 100 weitere Tote seit 1990 nicht als Opfer rechter Gewalt. Ohne das Gedenken antifaschistischer Gruppen wäre auch er längst vergessen.
Jan Michael Ullmann sitzt in seiner gemütlichen Wohnküche im Dortmunder Kaiserstraßenviertel, in der wenig auf die extraordinären Fähigkeiten ihres Bewohners hindeutet – sondern eher auf jemanden, der sein Leben genießt. Am Tag darauf wird er das erste Mal vor einem Millionenpublikum stehen. Ullmann ist Kandidat bei „The Taste“, der anspruchsvollsten Fernsehkochshow des Landes.
Die „Markthalle“ ist ein kleiner Traum. Mitten in der Stadt, gegenüber dem Bochumer Rathaus, soll sie in ein paar Jahren jährlich 1,5 Millionen KundInnen anlocken. Ein paar hundert Meter weiter wird am alten Landgericht Platz für Läden, Büros und ein Hotel gemacht. Doch muss es eigentlich immer Konsum sein? Mit einer Art akustischem Stadtplan wollen das Netzwerk Stadt für alle Bochum und das atelier automatique hörbar machen, dass man „Stadt“ auch anders denken kann.
Das Straßenmagazin trauert um bodo-Urgestein Egon Dittmann. Egon war Verkäufer der ersten Stunde, Gründungsmitglied, zeitweise sogar ein Fernsehgesicht des Vereins. Er verstarb auf der Straße, tragischerweise kurz nachdem er die Zusage für den Einzug in ein Wohnprojekt erhalten hatte. WegbegleiterInnen erinnern sich.
Auch nach fast acht Monaten Pandemie findet Wohnungslosenhilfe zu großen Teilen draußen statt. Viele Anlaufstellen bleiben geschlossen, die, die öffnen, tun das meist mit großen Einschränkungen. Die Open-Air-Lösungen, mit denen viele über den Sommer gekommen sind, funktionieren nicht mehr, wenn es regnet, schneit und kalt ist.
Ein Besuch in Avalonia, einem Landschaftskunstwerk an der Ruhr, das zugleich Kletterpark und Freiluftkloster ist, edle 5-Gänge-Menüs aus geretteten Lebensmitteln in Dortmund, „utopisches Flanieren“ in Bochum, eine Crowd-Recherche von Correctiv und Fridays for Future zu Kraftwerksbeteiligungen der NRW-Kommunen, eine virtuelle Bibliothek für verbotene Schriften uvm. – das Straßenmagazin im Oktober.