Ein eigener Schlüssel
Der Weg aus zurück in die eigenen vier Wände ist oft lang. Nach zwei Jahren ohne Wohnung und genau so langer Zeit in einer Wohneinrichtung hat Sascha endlich wieder einen eigenen Haustürschlüssel. Ein guter Grund für einen Besuch.
Von Sebastian Sellhorst

Es schneit, als wir uns auf den Weg nach Dortmund-Eving machen. Wir sollen anrufen, wenn wir da sind. Die Gegensprechanlage des Apartmentkomplexes, in dem Sascha wohnt, werde gerade neu gemacht, hat er uns erzählt, als er uns in der Anlaufstelle zu sich in seine neuen vier Wände eingeladen hat. „Ich komm runter“, meldet er sich direkt. „Früher war das mal ein Studentenwohnheim. Mittlerweile sind es ganz normale Ein-Zimmer-Apartments“, erzählt er uns, während wir durch den langen Flur im ersten Stock zu seiner Wohnungstür gehen.
Als er uns reinbittet, entschuldigt er sich für das Chaos. „Eigentlich wollte ich schon lange mit allem fertig sein. Aber dann fehlt doch immer wieder irgendwas. Mal die Bohrmaschine, dann die Kohle, dann die Motivation“, erzählt er, während er aus dem kleinen Kühlschrank in der Kochnische Getränke holt. Vor drei Monaten hat Sascha einen Mietvertrag unterschrieben. Ein Herd sei der nächste Schritt. Momentan kocht er auf einer portablen Kochplatte. Die Duschkabine und eine Jalousie, damit ihm die Nachbarn nicht auf den Tisch gucken können, die Nächsten.
Verloren hat Sascha seine Wohnung durch einen Haftaufenthalt. Zwei Mal habe er Ersatzfreiheitsstrafen wegen Schwarzfahrens absitzen müssen. „Als ich wieder raus gekommen bin, war die Wohnung natürlich weg, und auch ein Großteil von meinem Kram“, erinnert er sich, während er sich an seinem Couchtisch eine Zigarette dreht. Auch heute zahle er noch monatlich Geldstrafen aus seiner Zeit auf der Straße ab. „Von daher ist es schon ganz gut, dass ich mit dem Magazin noch ein bisschen was dazu verdiene. Sonst gäbe es bei mir nur Leitungswasser statt Apfelsaft“, erzählt er und schenkt uns lachend nach.
Besonders gut tue die Wohnung seiner Gesundheit. Nach einer Operation wegen einer Hautkrebserkrankung am Bein vor fünf Jahren hatte Sascha immer wieder mit Entzündungen zu kämpfen. „Auf der Straße ist das dann natürlich nicht besonders gut verheilt. Immer wieder musste ich Antibiotika-Therapien machen. Konnte zeitweise kaum laufen. Zwischenzeitlich hatte ich sogar Angst, dass ich das Bein vielleicht verlieren könnte“, erzählt er, während er uns die Narben an seinem Bein zeigt. Jetzt freut er sich, dass er es auch mal einen Tag auf der Couch bleiben kann, wenn die Schmerzen zu schlimm sind.
Seine Nachbarin aus dem Apartment nebenan habe er auch schon kennengelernt. An den ersten Tagen war meine Freude darüber, endlich wieder Musik zu hören, wohl etwas zu groß“, gesteht er und lacht. Trotz des holprigen Starts verstehen sie sich jetzt gut. Darum ist Sascha sichtlich bemüht. Als wir zum Abschluss noch ein Foto am Fenster machen, wird Sascha nachdenklich. „Das alles hier will ich nicht mehr verlieren. Es geht nichts über die eigenen vier Wände. Wenn die Tür zu ist, dann weiß ich, dass sie zu bleibt. Da will ich nie wieder raus“, meint er und deutet aus dem Fenster in das Schneetreiben.