29 Leben
Im vergangenen Jahr sind mindestens 29 wohnungslose Menschen in Dortmund gestorben. Die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Wohnung ist schlecht – und Herkunft verschärft die Lage.
Von Alexandra Gehrhardt

Im Dezember wurde ein 52-jähriger obdachloser Mann im Keller eines Hauses in der Dortmunder Nordstadt gefunden. Einige Tage zuvor ist bodo-Verkäufer Artur in einem Krankenhaus verstorben. Er hatte vorher längere Zeit auf der Straße gelebt. Auch in der westlichen Innenstadt starb ein Mann an seinem Schlafplatz. Es sind nur drei von mindestens 29 Menschen ohne festen Wohnsitz, die im vergangenen Jahr in Dortmund verstorben sind. Wie die Antwort der Verwaltung auf eine bodo-Anfrage zeigt, waren bis auf eine 34-jährige Frau, die im Mai verstarb, alle Verstorbenen männlich. Der jüngste war 31 Jahre alt, der älteste 79. Unbekannt ist, wie viele von ihnen auf der Straße starben, in einer Unterkunft oder anderswo.
Dass die gesundheitliche Situation von Wohnungslosen schlechter ist als die der Allgemeinbevölkerung, ist lange bekannt. Zuletzt hat das Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) in einer Untersuchung festgestellt, dass sie häufiger von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, Leber- oder Infektionserkrankungen wie HIV oder Tuberkulose betroffen sind. Bei 23 Prozent der Befragten war zudem eine psychische Erkrankung diagnostiziert, bei 70 Prozent gab es Hinweise darauf.
Schon die GISS-Studie zu verdeckter Wohnungslosigkeit in NRW stellte heraus, dass die gesundheitliche Versorgung von Wohnungslosen wesentlich von ihrem Zugang zum Gesundheitssystem abhängt und von einem „eklatanter gesundheitlicher Unterversorgung“ vor allem bei Wohnungslosen ohne Unterkunft gesprochen. 40 Prozent der Befragten hatte keine Krankenversicherungskarte – bei EU-Zugewanderten waren es gar drei Viertel. Ohne diese fehlt der Zugang zu medizinischen Regelleistungen.
Die Todeszahlen weisen einmal mehr auf eine tiefe Lücke im Hilfesystem hin: Zwölf der Verstorbenen hatten eine nicht-deutsche Staatsangehörigkeit. Alle waren EU-Bürger, und damit von kommunalen Hilfen und selbst Notunterkünften oft ausgeschlossen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, aber auch bodo kritisieren diese Verwaltungspraxis seit Jahren. Nach Rechtsauffassung der BAG W haben Wohnungslose das Recht auf Unterbringung in der Kommune, in der sie sich aufhalten, unabhängig von Herkunft oder Leistungsanspruch. Nichtdeutsche Wohnungslose, so die UKE-Studie, sind häufiger obdachlos und häufiger unversichert.
Es ist anzunehmen, dass die tatsächlichen Todeszahlen höher sind. Denn die Stadt erfasst nur Menschen, die offiziell ohne festen Wohnsitz sind – in der Realität gibt es viele Graustufen zwischen wohnungslos und in einer Normalwohnung. Ende Dezember wurde ein Mann tot in einer Dortmunder U-Bahn-Station gefunden, wo er offenbar seinen Schlafplatz hatte. Weil er eine Meldeadresse hatte, taucht er nach Angaben der Verwaltung in der städtischen Übersicht nicht auf.