Einfache Feindbilder
In der Dortmunder Innenstadt setzt der Einzelhändlerring Security gegen Obdachlose ein
Weil Drogenkonsumierende, Bettelnde und Obdachlose angeblich das Shoppingerlebnis in Dortmund stören, will der Chef der Händlervereinigung Cityring einen privaten Sicherheitsdienst losschicken, der für seine Mitglieder nachts durch die Innenstadt zieht und Gebäude kontrolliert.
Von Alexandra Gehrhardt

Die Agentur stadt + handel entwirft derzeit Konzepte für ein Citymanagement. Online hat das Unternehmen fast 2.000 DortmunderInnen nach Kritik und Wünschen gefragt. Was in deren Augen fehlt: Grünflächen, abwechslungsreiche Gastronomie, Fachgeschäfte, Cafés, Aufenthaltsorte, Nachtleben. Was ihnen wichtig ist: Straßenraumgestaltung und Stadtbild, Gastronomie, vielfältiger Einzelhandel, Möglichkeiten zum Bummeln und Verweilen; im Mittelfeld: Sicherheitsempfinden. Wie sie Dortmund in einem Wort beschreiben würden: „langweilig“, „unattraktiv“, „gewöhnlich“, „alt“, dreckig. Neun Befragte beschrieben die Innenstadt mit dem Wort „Obdachlose“.
Für den Cityring-Chef kein Hindernis, Obdachlose, Bettelnde und Drogenkonsumierende als Schuldige für die Misere der Innenstadt zu markieren. Schon sein Vorgänger hatte, als kurz nach dem ersten Corona-Lockdown die Not auf der Straße in der Innenstadt so riesig wie sichtbar war, vorgeschlagen, Wohnungslose aus der Innenstadt „zu exkludieren“. Diese Schuldverschiebung ist einfach: Warum sich auch mit neuen Einzelhandelskonzepten und Innenstadtbelebung beschäftigen, wenn man die Schuld einfach auf andere Gruppen schieben kann? Unverschämt ist sie trotzdem.
Nun also ein Sicherheitsdienst, der nicht einmal große Befugnisse hat – außer Abschreckung. Darum, Sherriffs zu spielen, gehe es auch nicht, sagte der Cityring-Vorsitzende, vielmehr um „offene Kommunikation“ und darum, Flyer über Hilfsangebote zu verteilen. Wie muss man sich das vorstellen? Um 1 Uhr nachts wecken schwarz gekleidete Sicherheitskräfte Obdachlose auf, um ihnen einen Flyer von der Übernachtungsstelle in die Hand drücken, in die sie im Zweifel gar nicht hineinkommen, und sagen ihnen dann, dass sie jetzt zu verschwinden haben? Abgestimmt ist der Plan mit dem Ordnungsdezernenten, der schon während Corona mit harter Linie gegen Wohnungslose und Arme aufgetreten ist.
Wohnungslosigkeit, Armut und Sucht können nicht ordnungsrechtlich gelöst werden, sondern vor allem sozialpolitisch. Um Konflikte mit HändlerInnen zu befrieden, helfen gegenseitiges Zuhören, Austausch und die Suche nach Kompromissen. Vertreibung hilft nicht.