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„Irgendwann merkst du: Verdammt, ich bin obdachlos“

Von Sebastian Sellhorst

Drei Jahre hat Frans auf Straße gelebt. Mittlerweile hat er wieder ein Dach über dem Kopf. Bei einem Spaziergang entlang alter Schlafplätze erzählt er von seiner Zeit ohne Wohnung und den vielen Kleinigkeiten, die man auf der Straße beachten muss. 

Wir sind erst ein paar Meter unterwegs, als Frans eine leere Getränkedose von einem Stromkasten greift. Er schüttelt die letzten Tropfen heraus und lässt sie mit einer gekonnten Handbewegung in seinem Rucksack verschwinden. Als er meinen interessierten Blick bemerkt, erzählt er: „Früher hab ich oft Pfand gesammelt. Mittlerweile mache ich das eigentlich nicht mehr, aber an einer Dose kann ich immer noch nicht vorbeigehen. Das hast du irgendwann so drin.“ Das sei mit vielen Angewohnheiten aus seiner Zeit auf der Straße so. Den Rucksack mit den wichtigsten Habseligkeiten hat er noch immer täglich bei sich. „Wenn du keine Bude hast, die du hinter dir abschließt, dann nimmst du jeden Morgen alles mit, was dir wichtig ist.“

Die ersten Nächte auf der Straße sind ihm noch sehr präsent, sagt Frans. „Ich hatte damals einen Job als Monteur. Hab in Baumärkten die Lampenabteilungen eingerichtet. Unter der Woche habe ich in Monteurswohnungen oder Hotels gewohnt. Nur am Wochenende war ich dann immer mal wieder ein paar Nächte draußen. Erst redet man sich ein, dass das nur eine Übergangslösung ist, es fühlt sich eher an wie Camping oder ein Abenteuer. Erst nach ein paar Nächten merkst du: Verdammt, ich bin obdachlos. Die Schwierigkeiten kommen dann meist erst später.“

"Erst redet man sich ein, dass das nur eine Übergangslösung ist", erinnert sich Frans. DRei JAhre lang war er obdachlos, jetzt hat er wieder eine Wohnung. Foto: Sebastian Sellhorst

Anfangs sei er viel alleine unterwegs gewesen. Später habe er Kontakte geknüpft. „Hier war immer ein beliebter Treffpunkt“, erzählt er, während er sein Rad langsam durch einen kleinen Park unweit der Innenstadt schiebt. „Jeder hat einen etwas anderen Tagesablauf und andere Dinge zu erledigen, aber abends sind wir gemeinsam Richtung Norden zum Kanal und haben dort in alten Abbruchhäusern geschlafen.“ Einerseits sei man dann nicht so alleine, aber auch der Sicherheitsaspekt spiele eine große Rolle. „Schwierig wird es erst, wenn einer aus der Gruppe eine Wohnung bekommt. Die meisten Leute, mit denen du die Nächste verbringst sind irgendwann richtig gute Freunde, aber du kannst ja auch nicht zehn Leute jede Nacht in deiner Wohnung schlafen lassen.“

In der Innenstadt habe er selbst nie geschlafen – zu gefährlich. Viele würden das Risiko aber eingehen, um näher an den Einrichtungen zu sein. Doch auch weit außerhalb wurde sein Schlafplatz mehrfach verwüstet. „Du pennst in der Regel da, wo auch gelangweilte Jugendlichen rumhängen. Oft geht es gut. Aber es muss dir ja nur jemand eine halbvolle Bierflasche auf deinem Schlafsack schmeißen und dein Nachtlager ist ruiniert“, erzählt er. Bevor wir uns verabschieden, will ich von ihm wissen ob es Städte gibt, in denen das Leben auf der Straße einfacher sein als in anderen. Er muss nicht lange überlegen: „Ohne Wohnung ist es in jeder Stadt schwierig.“