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Abwägungssache

Corona und Ordnungsrecht

2G in Kultur, Freizeit, Gastro und Einzelhandel: Mit Einschränkungen und  Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte soll die vierte Corona-Welle gebrochen werden. Die meisten Lebensbereiche und auch der öffentliche Raum werden wieder zu Kontrollzonen. Problematisch ist das für die Menschen, die sich dem nicht entziehen können – weil ihr Lebensmittelpunkt die Straße ist.

Von Alexandra Gehrhardt

Nicht nur Gastronomie, Sport, Freizeit und Arbeit, auch der öffentliche Raum – oder das, was viele darunter verstehen – ist jetzt wieder Kontrollgebiet. Bochum und Dortmund haben ihre Einkaufszonen erneut unter Maskenpflicht gestellt, in Dortmund gilt die 3G-Regelung nicht nur in Bussen und Bahnen, sondern, teilte Betreiberin DSW21 mit, auch für „alle ober- und unterirdischen Haltestellen“.

Problematisch ist das für die, die sich dem nicht einfach entziehen können. Nach BAGW-Schätzungen leben rund 40.000 Menschen in Deutschland obdachlos auf der Straße, schlafen dort, essen, treffen Bekannte, tun, was andere in Wohnungen tun. Für sie funktioniert die Trennung zwischen öffentlicher und privater Sphäre nicht, weil es sie nicht gibt. Die Sorge ist groß, dass das im Eifer der konsequenten Durchsetzung der Schutzmaßnahmen ausgeblendet wird. Oder zynisch formuliert: dass die Zugangsbeschränkungen als gesundheitspolitischer Hebel genutzt werden, unliebsame Gruppen loszuwerden – sei es den Bettler auf dem Weihnachtsmarkt oder die Obdachlosen, die sich im Winter in den U-Bahnhof schlafen legen, um nicht zu sterben.

Aus der Luft gegriffen ist das nicht. Während des ersten Lockdowns erhielten Wohnungslose in Dortmund Bußgelder in teils vierstelliger Höhe, weil sie vermeintlich gegen Ansammlungsverbote verstoßen hatten. Der Ordnungsdezernent hielt, wenngleich sie reduziert wurden, an den Sanktionen fest. Schon am ersten Tag der 3G-Regelung für den ÖPNV berichteten Menschen, die bodo-Angebote wahrnehmen, der U-Bahn verwiesen worden zu sein, weil die Kopie ihres gedruckten Impfnachweises nicht anerkannt und neben dem Ausweis ein digitales Zertifikat verlangt worden sei. Für Wohnungslose gehört der Verlust von Dokumenten, durch Diebstahl, die restlose Räumung eines Schlafplatzes, ein kaputt gegangenes Smartphone, zum Alltag.

Ob Ordnungsbehörden das in den nächsten Wochen bedenken werden, wird sich zeigen. Wenn nicht, müssen Wohnungslose einmal mehr auf Augenmaß und Empathie hoffen.